Meine Ideale und der Weg, den ich gewählt habe

 

Auszüge aus einer Arbeit von Ilham Tohti, veröffentlicht am 6. April 2014

 

Ich bin ein Akademiker, der sich für die Erforschung von Fragen zu Xinjiang und der zentralasiatischen Soziologie, Wirtschaft und Geopolitik widmet. Obwohl einige Leute mich heute weiterhin als politische Figur beschreiben oder hoffen, dass ich eine werde, habe ich von Anfang an behauptet, dass ich nur ein Wissenschaftler bin und weder die Absicht noch den Wunsch habe, politisiert zu werden. Ich möchte nur dazu beitragen, Verbindungen herzustellen und einen ethnischen Austausch fördern.

Ich habe schon immer ein vorausschauendes und nachhaltiges Interesse an Xinjiang und den zentralasiatischen Fragen gehabt. Im Hinblick auf Xinjiang bedeutet dies eine soziale, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung, interethnische Interaktion und der Versuch, das Gleichgewicht zwischen Souveränität, Einheit und lokaler Autonomie unter den gegenwärtigen Bedingungen Chinas zu erhalten.

„Uyghur Online“ ist eine Website, die ich persönlich gegründet habe, damit alle ethnischen Gruppen in China - auch in der ganzen Welt - Xinjiang und die Uiguren verstehen lernen. Umgekehrt möchte die Website auch dazu beitragen, dass die in Xinjiang lebenden ethnischen Gruppen die Welt verstehen. Auf diese Weise soll sie das gegenseitige Verständnis fördern und einen Dialog zwischen den ethnischen Gemeinschaften ermöglichen. Sie wurde gegründet, um jegliches Unabhängigkeits­streben, jede Art von separatistischen oder anderen unverantwortlichen und gefährlichen Beiträgen zu verhindern. Sie veröffentlicht nichts, was als subversiv betrachtet werden könnte.

 

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 Als uigurischer Intellektueller habe ich tiefe Gefühle für mein Volk und ich sorge mich angesichts seiner Verarmung und der vielen Leiden, die auf historische und andere Faktoren zurückzuführen sind. Ich habe auch tiefe Gefühle für mein Land, und nachdem ich viele andere Länder besucht habe, bin ich gemerkt, dass ein starker Nationalstolz in meinen Adern fließt. Der Schmerz und der Stolz, der von meinem Volk und meinen Landsleuten erlebt wird, sind auch meine eigenen Schmerzen und mein eigener Stolz.

Wir leben heute in Xinjiang und anderswo in einer Zeit, in der ethnische Fragen von beispielloser Bedeutung und Problematik sind. Ob rational oder emotional, ich kann nicht akzeptieren, dass die Nation gespalten ist. Ich bin nicht grundsätzlich gegen eine natürliche Verschmelzung von ethnischen Gruppen, weil sie sowohl ein natürliches als auch ein soziales Gesetz widerspiegelt. Historisch gesehen sind sowohl die Han-Chinesen als auch die Uiguren Produkte einer multiethnischen Vermischung. Ich widerspreche aber durchaus einer falschen und kalkulierten ethnischen Harmonie. Die Zusammen­führung ethnischer Gruppen gelingt nicht unter Einsatz von Gewalt, sondern durch Toleranz und Förderung der Vielfalt zu gemeinsamer Harmonie und Einheit.

Wir können ethnische Probleme nur durch ethnische Eigenständigkeit lösen und indem wir China zu einem multiethnischen, multikulturellen und attraktiven Land machen.

 

Der vollständige Text in englischer Sprache findet sich hier:

https://chinachange.org/2014/04/06/my-ideals-and-the-career-path-i-have-chosen/