Die Uiguren

 

Die Uiguren sind ein Volk, das auf verschiedene turkstämmige und mongolische Volksgruppen Nord- und Zentralasiens zurückgeht und heute vor allem im Uigurischen Autonomen Gebiet Xinjiang im Nordwesten Chinas zu Hause ist. Im Jahre 744 hatten sich die Uiguren von dem Großreich der Göktürken losgesagt und ein eigenes Königreich, das Uigurische Khaganat, gegründet, das sich bis in die heutige Mongolei erstreckte. Später zogen sie weiter nach Westen, in das Tarimbecken.

Die Chinesen hatten schon in früher Zeit großes Interesse an diesem Gebiet, das über die Seidenstraße einen Zugang zum Westen bot. Während der Han-Dynastie hatte Kaiser Wudi (141 bis 87 v. Chr.) dort eine Reihe von Außenposten eingerichtet und auch in der Tang-Dynastie (618 bis 907 n. Chr.) verfügten die chinesischen Kaiser über weitreichenden Einfluss, aber erobert wurde das Gebiet erstmals im 18. Jh. von der Qing-Dynastie.

Nach dem Fall der Qing-Dynastie 1911 verlor China seinen Einfluss, während der der Sowjetunion wuchs. 1933/34 und 1944-1949 konnten sich die Uiguren als Republik Ost-Turkestan selbstständig machen, doch Ende 1949 zog die Volksbefreiungsarmee ein und besetzte das Land. Seitdem ist es Teil der Volksrepublik China; 1955 erhielt es den Status eines Autonomen Gebiets.

Aufgrund der von der Regierung forcierten Zuwanderung von Han-Chinesen seit den 1950er-Jahren machen die Uiguren heute in ihrer Heimat nur noch knapp die Hälfte der Bevölkerung aus. Obwohl ihnen laut Ver­fassung ein Recht auf Mitbestimmung in politischen, kulturellen und wirtschaftlichen Belangen zusteht, sieht die Realität ganz anders aus: Sie werden in vieler Hinsicht benachteiligt, jeder Protest niedergeschlagen.

Xinjiang ist reich an Bodenschätzen. Doch weder bei der Förderung der Bodenschätze noch in den großen Industrieanlagen und Wirtschaftsunternehmen finden Uiguren einen Arbeitsplatz. Diese sind fast ausnahmslos Han-Chinesen vorbehalten. Die Mehrheit der Uiguren führt daher ein bescheidenes Leben auf dem Lande und in kleineren Städten, arbeitet als Händler, Handwerken und Bauern.

In den fruchtbaren Oasen wurden bereits in den 1950er Jahren paramilitärische Landwirtschaftsbetriebe[1] gegründet und im Laufe der Zeit ausgebaut. Die künstlich zu bewässernden Anbauflächen werden daher laufend vergrößert, so dass immer weniger Wasser für die uigurischen Bauern übrig bleibt. Gärten vertrocknen, Flüsse versiegen, der Grundwasserspiegel sinkt bedenklich und die Bodenversalzung nimmt zu. Das Land leidet unter der Zerstörung ganzer Landstriche durch den Abbau von Bodenschätzen und die Verschmutzung durch Industrie, intensive Landwirtschaft und Atomtests, die über Jahrzehnte im Kernwaffentestgebiet von Lop Nor vorgenommen wurden.

Die Verfassung garantiert den Uiguren Schutz ihrer Kultur, Sprache und Religion, doch in den Schulen wird nur gelehrt, was die chinesische Regierung gutheißt, teilweise bereits im Kindergarten in chinesischer Sprache. Den Uiguren werden immer mehr religiöse Einschränkungen auferlegt. Die Regierung begründet dies mit der Befürchtung, dass sich in Moscheen Zentren des separatistischen oder islamistischen Widerstandes bilden könnten, und rechtfertigt ihr rigoroses Einschreiten als „Kampf gegen den Terror“. Die große Mehrheit der Uiguren fühlt sich dadurch diskriminiert und in ihrem Glauben und ihrer persönlichen Freiheit eingeengt.

Wenn es daher gelegentlich zu Widerstand kommt, hat das nichts mit staatsgefährdendem Terrorismus oder Separatismus zu tun, sondern mit persönlicher Wut, Verzweiflung und Hilflosigkeit. Die Uiguren müssen mit ansehen, wie zugewanderte Han-Chinesen bevorzugt, sie selbst aber in ihrer eigenen Heimat als Menschen zweiter Klasse behandelt werden, und wenn es zu Streitigkeiten kommt, vor Gericht kaum eine Chance zur Verteidigung erhalten. Da die chinesische Regierung das Vorurteil von einem gefährlichen, aufsässigen und zudem muslimischen Volk gezielt schürt, bekommen sowohl die Menschen im zentralen China als auch wir im Ausland leicht ein falsches Bild von den Uiguren.

 

[1] Xinjiang Production and Construction Corps (Bingtuan)